Gedanken zum Tod

Interview Margot Käßmann

 

Frau Käßmann, der Tod ist allgegenwärtig im Fernsehen, vor allem in zahlreichen Krimis wird viel gestorben. Warum braucht man da noch eine Themenwoche über das Sterben?

Käßmann: Das Interessante ist beispielsweise, dass Kinder diesem fiktiven Tod im Fernsehen ständig ausgesetzt werden. Und auf der anderen Seite heißt es dann, man kann ein Kind doch nicht mit zu einer Beerdigung nehmen. Wir müssen aber damit umgehen, dass wir alle sterben werden - und zwar ganz real sterben, nicht fiktiv. Die Auseinandersetzung mit dem eigenen Tod ist enorm wichtig im Leben, und das zu fördern ist mir ein Anliegen.

Und diese Auseinandersetzung ist den Zuschauern zumutbar?

Käßmann: Absolut. Es geht doch zum Beispiel um die Frage: Wie will ich sterben? Es ist einfach wichtig, darüber einmal nachzudenken, sonst stehen die Angehörigen eines Tages da und wissen nicht: Hätte die Mutter gewollt, dass eine Magensonde gelegt wird, oder wie hätte sie sich die Trauerfeier gewünscht? Es gilt ja vieles zu entscheiden am Schluss. Sich darüber mal vorher Gedanken zu machen, finde ich schon sehr wichtig.

Wie bereiten Sie sich selber auf Ihren Tod vor?

Käßmann: Zum einen habe ich versucht zu regeln, was der Mensch regeln kann, um meine Kinder zu entlasten. Dazu gehören Patientenverfügung und Betreuungsvollmacht. Ich habe mit meinen Kindern außerdem darüber gesprochen, wie ich meine Beerdigung gerne hätte und wer sie durchführen soll. Solche praktischen Dinge sind also geklärt. Außerdem war mir wichtig, mit meinen Kindern darüber zu sprechen, dass sie froh und dankbar zurückblicken sollen und nicht nur in Trauer versinken müssen.

Ist es vielleicht auch deshalb sinnvoll, sich Gedanken über das eigene Ende zu machen, weil man dann intensiver lebt?

Käßmann: Ja, das ist schon so. Jemand, der um den eigenen Tod weiß, nimmt bewusster wahr, dass das Leben eine sehr kostbare, geschenkte Zeit ist - und verplempert sie vielleicht weniger.

Sie selber waren auch schon ganz direkt mit dem Gedanken an den Tod konfrontiert, als Sie vor ein paar Jahren an einer Krebserkrankung litten, die Sie dann überwunden haben.

Käßmann: Wenn das allgemeine Wissen über die Sterblichkeit zu einer persönlichen Nachricht wird, die besagt: Dein eigenes Leben ist begrenzt, dann denkst du natürlich noch einmal besonders intensiv darüber nach, wie du eigentlich weiterleben willst. Das war bei mir so.

Ist der Gedanke an den Tod lieber Menschen schlimmer als der an das eigene Sterben?

Käßmann: Ich denke, dass ein Wort der Dichterin Mascha Kaléko auch für mich gilt. Sie sagt: Den eigenen Tod, den stirbt man nur, den Tod der anderen muss man leben. Das ist sehr wahr. Mit meinem eigenen Tod kann ich umgehen, ich kann mir dann sagen, dass ich ein gutes Leben hatte und dankbar zurückblicken. Aber liebste Menschen zu verlieren, das tut unendlich weh - und das kann niemand kleinreden. Ich habe mehr Angst vor dem Tod der Menschen, die ich liebe, als vor meinem eigenen.

Wie möchten Sie selber sterben, wenn es so weit ist?

Käßmann: Wenn ich die Wahl hätte, würde ich sehr gerne in einem Hospiz sterben, weil ich weiß, dass die Mitarbeitenden dort es gewohnt sind, auch Geduld mit dem Tod zu haben und dem Sterben seinen Raum und seine Zeit zu lassen. Im Arbeitsbetrieb eines Krankenhauses ist das häufig gar nicht möglich, und zu Hause ist es für die Angehörigen doch meist sehr schwer. Es ist körperlich doch oft ungeheuer anstrengend, immer da zu sein. In Ruhe und in Frieden in einem Hospiz dann gehen zu können - das fände ich schön.

Möchten Sie den Tod bewusst erleben oder lieber im Schlaf sterben?

Käßmann: Wenn ich das Leben in Ruhe aushauchen kann, dann möchte ich das gerne auch bei Bewusstsein tun. Ich habe das als Pfarrerin mal bei einer alten Dame erlebt, die ihr Leben ganz einfach aushauchte - das war ein sehr friedvoller und schöner Übergang.

Im Rahmen der Themenwoche wird es auch eine Kabarettsendung mit Dieter Nuhr geben. Darf man über den Sensenmann lachen?

Käßmann: Aber ja, ich finde schon, dass wir über den Tod lachen dürfen. Gerade wenn wir Scherze über etwas machen oder ironisch damit umgehen, geben wir ihm ja auch einen Namen. Viel schlimmer ist das Verschweigen und das Tabuisieren, weil das die Angst nur verstärkt.

Kennen Sie einen guten Witz über den Tod?

Käßmann: Im Moment fällt mir leider keiner ein. Aber eine wirklich lustige Grabinschrift kann ich Ihnen schon nennen. Die heißt: „Hier liegen meine Gebeine. Ich wünschte, es wären deine.“


Interview: Martin Weber
Augsburger ALlgemiene 16.11.2012